Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren in Laasphe durchweg problematisch. Mäßige Bodenqualität und wenig Außenhandel machten die Grafschaft Wittgenstein anfällig für Krisen.
Jeder Laaspher Bürger konnte grundsätzlich ein Haus erwerben, hatte aber dazu noch eine landwirtschaftliche Fläche als gräfliches Lehen gepachtet.
Die Arbeit war hart, die Erträge vergleichsweise gering. So war das Grafenhaus aus finanziellen Gründen zusätzlich auf fremde Anstellungen angewiesen und der Hausherr war nur selten zu Hause auf Schloss Wittgenstein.
Von 1596 - 1598 wütete die Pest und raffte ca. ein Viertel der Bevölkerung dahin. Viele Menschen rangen um ihre Existenz.
Laasphe um 1650
Der Dreißigjährige Krieg hatte (fast) überall im damaligen „Teutschen Reich“ verheerende Auswirkungen.
Er entvölkerte ganze Landstriche, die Bevölkerung verrohte.
Die Pest wurde fortan zur ständigen Bedrohung.
Kannibalismus war oft das letzte Mittel gegen Hunger.
Besonders dramatisch wirkte sich eine kleine Eiszeit aus, die nach 1626 zu Totalausfällen bei den Ernten führte. Im Jahr 1645 wurde Laasphe geplündert. Das Vieh wurde zum großen Teil verschleppt, viele Haushaltswaren entwendet.
Trotz dieser schlechten Ausgangslage studierten zu Beginn des 17. Jahrhunderts einige Laaspher an der Hohen Schule in Herborn. Hier werden sicher Stipendien ausgeholfen haben.
Der weltmännische Graf Ludwig der Ältere legte Wert auf humanistische Bildung.
Dreißigjähriger Krieg 1618 - 1648
In der Nachbarschaft loderten schon reichlich die Scheiterhaufen. Graf Ludwig der Jüngere ließ sich von der allgemeinen Hysterie nicht anstecken. Aus der Ferne äußerte er mehrfach Bedenken gegen Hexenprozesse, aber was waren seine Motive?
Moralische Bedenken oder erkannte er - was wahrscheinlicher ist -, dass seine Untertanen sein Kapital waren. Wer sollte die gräflichen Felder bestellen, wenn die Bevölkerung jetzt noch durch Verbrennungen dezimiert wurde?
Verzögern konnte der Graf, verhindern nicht.
Allein von 1629 - 1631 fanden in Laasphe 23 Hexenprozesse statt.
Schuldige wurden gesucht, jeder konnte verdächtigt werden, mit dem Teufel gemeinsame Sache gemacht zu haben.
Insgesamt sollte es bis 1700 dauern, bis sich Laasphe von den Folgen der erwähnten Katastrophen erholt und den starken Bevölkerungsrückgang ausgeglichen hatte.
Die Constitutio Criminalis Carolina, in deutsch „Peinliche Halsgerichtsordnung“, von Kaiser Karl V. gilt als erstes allgemeines deutsches Strafgesetzbuch. Das Wort „peinlich“ bezieht sich hierbei auf das lateinische „poena“ für Strafe und bezeichnet Leibes- und Lebensstrafen.
Die „Peinliche Halsgerichtsordnung“ bildete im Heiligen Römischen Reich den gesetzlichen Rahmen für die Hexenverfolgungen. Zauberei wurde neben Mord, Totschlag, Räuberei und Brandstiftung als schweres Verbrechen eingestuft.
In der Halsgerichtsordnung galt das Geständnis der Angeklagten als das verlässlichste Mittel der Wahrheitsfindung. Die Aufgabe des Richters war es deshalb, ein Geständnis zu erzwingen, notfalls auch unter Folter.
Die Halsgerichtsordnung versuchte, die Folter streng zu reglementieren und verzichtete auf Gottesurteile.
Der Beweis der Schuld galt nur bei einem Geständnis des Angeklagten als geführt, welches ohne Folter wiederholt werden musste. Allerdings wurde in vielen Prozessen auf den „Hexenhammer“ zurückgegriffen, der von „Unterbrechung“ und „Fortführung“ der Folter sprach, um ein ergebnislos abgebrochenes Verhör wieder aufnehmen zu können.
Auch der Verzicht auf Gottesurteile wurde auf Seiten der Protestanten durch die sogenannten Hexenproben aufgehoben.
Das Delikt „Schadenszauber“ unterschied schadensstiftende Zauberei an Personen, die mit dem Feuertod zu bestrafen war, und Zauberei mit Sachschaden, die „milder“ bestraft werden konnte.
Allerdings wurde der Gerichtsordnung des katholischen Kaisers gerade in protestantischen Territorien oft nur unvollständig Folge geleistet. Hier wurde diese Vorschrift meist verschärft, weil Hexerei einen Bund mit dem Teufel darstellte und somit immer des Todes würdig war.
Verhör bei einem Hexenprozess
Selbst die Angeklagten mussten unter Folter weitere Komplizen nennen, so dass ein Hexenprozess oft zahllose Folgeprozesse nach sich zog.
Denunzianten mussten dem Beklagten nicht offengelegt werden, was für den Erfolg der Hexenprozesse von Bedeutung war.
In der Praxis wurden Appelle an weitere Zeugen der Verbrechen gerichtet, so dass dem ersten Denunzianten weitere folgten.
Im Falle einer Verurteilung erhielt der Denunziant teilweise ein Drittel des Vermögens des Angeklagten, jedoch mindestens 2 Gulden.
Die Verhöre der Hexenprozesse hatten meist den gleichen Ablauf.
Ziel war es, ein Schuldeingeständnis des Opfers zu erlangen - notfalls auch unter Folter.
Auf die Anklage und oft monatelange Inhaftierung folgte das Verhör.
Dies begann mit der „gütlichen Befragung“ durch den Richter.
Erfolgte kein Geständnis, wurden die Foltergeräte vorgeführt („Territion“).
Peinliche Befragung bei einem Hexenprozess
Weigerten sich die Opfer immer noch zu gestehen, wurde die „peinliche Befragung“ durchgeführt.
Die Folter durfte bis zu dreimal wiederholt werden.
Unter den Qualen gestanden fast alle Beschuldigten und mussten in der folgenden Befragung weitere Mitschuldige“ preisgeben.
Nach der Verurteilung für Hexerei wurden die Opfer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
In den offiziellen Gerichtsverfahren war die Anwendung von Hexenproben verboten. Trotzdem kam es immer wieder zur Ausführung dieser „Gottesurteile“.
Nach dem damaligen Volksglauben konnte ein Zeichen Gottes die Unschuld eines Angeklagten beweisen.
Aus dieser Annahme entstanden absurde Hexenproben, wie z.B. die Wasser-, Eisen- oder Wägeprobe. Oft wurde eine Hexenprobe von den verzweifelten Angeklagten selbst verlangt, um die Unschuld beweisen zu können. Allerdings waren die Hexenproben kein endgültiges Beweisverfahren, so dass die Opfer trotz bestandener Probe häufig verurteilt wurden.
Bereits damals gab es Gegner der Hexenprozesse. Diese gingen große persönliche Risiken ein, weil sie sich automatisch mit den Mächtigen ihrer Zeit anlegten. Neben anderen Rechtsgelehrten kämpften Johann Weyer 1563 „De praestigiis daemonum“ (Von den Blendwerken der Dämonen), Anton Praetorius 1598 „Gründlicher Bericht von Zauberey vnd Zauberern“,
Johann Matthäus Meyfart um 1629 „Christliche Erinnerung, ... wie das abscheuwliche Laster der Hexerey mit Ernst außzurotten“ und Friedrich Spee 1631 „Cautio criminalis“ gegen die Hexenprozesse.
Die kritischen Schriften mussten zumTeil anonym oder unter falschem Namen erscheinen.
Als Gegenargument führten die Gegner der Prozesse u.a. an, dass Gott dem Teufel niemals soviel Macht zugestehen würde, dass er einzelne Menschen komplett verderben könnte.
Waren das nicht Zweifel an der Allmacht Gottes? Ebenso wurde auf den heidnischen Ursprung der sogenannten Hexenproben hingewiesen.
Wer sollte da geprüft werden: die Menschen, der Teufel, Gott?
Auch wurden die zahlreichen Formfehler der Hexenprozesse beklagt, die aus einem „ordentlichen“ Prozess in der Praxis häufig Willkür werden ließen.
Christian Thomasius
Deutscher Jurist und Philosoph
1655 - 1728
Der deutsche Jurist Christian Thomasius forderte 1701 in seiner Veröffentlichung „De crimine magiae“, die Hexenprozesse abzuschaffen.
Die Angeklagten würden erst „gestehen“, wenn sie die Qualen der Folter nicht mehr aushalten.
Seine Ausführungen bewegten König Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1714 dazu, die Hexenprozesse in Preußen zu beenden.
Bisher sind 32 Hexenprozesse bekannt, davon endeten 11 mit Hinrichtungen. Die folgende Aufzählung ist sicher nicht vollständig:
1509
Konne,
Frau von Hans Rippels zu Wemlinghausen; bestraft mit Urfehde;
1597 (Pestjahr)
Ludwig Hoch genannt „Feder“
„Dieser ist gewesen einer von den Wahrsagern“ ; verstorben;
1609
Merge Dillmansche
gefoltert, verurteilt, hingerichtet;
„Graf Ludwig II. bekannte später, dass es kein ordentliches Verfahren war und sie wider Recht zum Tode verurteilt wurde.“
Elisabeth Scherer
Ausbruch aus dem Gefängnis, in den Breidenbacher Grund ausgeliefert; bestraft mit Urfehde / Ausweisung;
Katharina Gansen
freigelassen;
Anna Han, die „Alte Hainsche“
freigelassen;
Gottliebe Bilge
Witwe in Laasphe, freigelassen;
Lucia Reichmann
in Laasphe verhört, freigelassen - 1629 erneut verklagt;
1611
Katharina, „Döppen Krein“
durch Cousin Jost Scheffer aus Feudingen beschuldigt, gefoltert, verurteilt, hingerichtet;
1628
Johannes Dickel
der Zauberei verdächtig, verstorben;
1629
Barbara Freithoff
von Beddelhausen, keine Prozessakten;
Margarethe von Alertshausen
gefoltert, hingerichtet mit dem Schwert;
„Alte Fickelsche vom Freithoff“
hingerichtet;
Maria
Mutter von Franz Homrichhausen in Elsoff, Anklage;
Katharina
Frau von Thiel Zimmermann in Alertshausen;
eventuell im August 1630 gefoltert
Johännchen Becker
gefoltert, aus dem Gefängnis entflohen;
Johannes Gernandt
gefoltert, hingerichtet;
Zwei unbekannte Frauen
hingerichtet;
Else
Frau des Weiß Klausen; hingerichtet;
Anna
Frau des Zacharias Hansen von Elsoff; hingerichtet;
Mebes Dienst
von Alertshausen; inhaftiert, hingerichtet;
Merge Berntsche
aus Feudingen; hingerichtet;
Johannette Blöcher
aus Fischelbach; bezichtigte sich der Teufelsbuhlschaft, das Gericht übergab sie den Pfarrern zum Gebet.
1630
Crein,
die „Scheffersche“ aus Arfeld; Frau des Schafhirts; verhaftet;
Agnes
schwangere Tochter des Försters Steffen, wurde auf
Bürgschaft entlassen;
Agnes Eyla, die „Alte Wirtin“
keine Prozessakten;
Katharine
Frau des Jost im Gadens von Beddelhausen und Schwester von Agnes Eyla; sie hielt alle drei Grade der Folter aus; 1630 freigelassen;
„Mir geschieht Unrecht. Ich bitte um Gottes willen, lass solch ein unschuldig Christenmensch nicht so martern.“
Schoppen Ursel
von Feudingen, gefoltert, Halsgericht (kein Urteil überliefert), wahrscheinlich hingerichtet;
Drei unbekannte Frauen
freigelassen;
Lucia Reichmann
1629 erneut verklagt, hielt alle drei Grade der Folter aus, rief: „Ihr foltert Gott im Himmel“; 1630 Selbstmord;
Der Glaube an das personifizierte Böse und an Hexen lebt bis heute auf unterschiedliche Weise weiter.
Nur die Auseinandersetzung mit dem Schicksal verfolgter Menschen kann den Blick schärfen für das Leiden unschuldiger Menschen heutzutage in aller Welt.
Es ist wichtig, Menschen in ihrem Empfinden für Gerechtigkeit zu bestärken und sensibel zu machen, damit diese sich eine eigene Meinung bilden und Zivilcourage entwickeln können.